Inkontinenz beim Sport: Die unterschätzte Rolle des Beckenbodens
Sport ist für einen gesunden Lebensstil unverzichtbar – dass er Inkontinenz hervorrufen kann gilt allerdings als Tabuthema. Davon betroffen sind nicht nur Frauen und ältere Semester, junge Athleten beiderlei Geschlechts haben ebenso damit zu kämpfen. Vor allem die Harninkontinenz tritt bei vielen Sportarten auf und beeinträchtigt nicht nur das Leistungsvermögen, sondern auch das tägliche Leben. Ein geeignetes Beckenbodentraining mit einem modernen Beckenbodentrainingsgerät schafft Abhilfe, beugt einer angehenden Inkontinenz vor und erhöht die Lebensqualität.
Tabuthema Harninkontinenz bei Sportlerinnen
Harninkontinenz ist nur für Frauen nach Geburt oder Menopause ein Thema? Weit gefehlt. Sportmedizinern haben festgestellt, dass unkontrollierter Harnabgang durch sportliche Belastung weiter verbreitet ist als man gemeinhin denkt. Studien zeigen, dass vor allem das weibliche Geschlecht bei vielen Sportarten mit Belastungsinkontinenz (früher als Stressinkontinenz bezeichnet) zu kämpfen hat. Die Werte sind geradezu erschreckend: Bei Frauen mittleren Alters kommt die Harninkontinenz mit einer Häufigkeit von 30 % vor, bei regelmässiger sportlicher Betätigung steigt sie auf über 47 %, und im Alter gehen die Werte munter noch weiter nach oben.
Frauen leiden besonders oft an Inkontinenz
Frauen sind deutlich häufiger als Männer mit Inkontinenz gestraft. Das liegt vor allem an Schwangerschaften, bei denen das Ungeborene mit zunehmendem Gewicht auf der Innenauskleidung des Beckenbodens lastet. Insbesondere vaginale Geburten und zunehmendes Alter schwächen die Beckenbodenmuskulatur, welche für die Kontrolle von Stuhlgang und Harnlösen wichtig ist.
Sport ist zwar gesund, kommt dann aber oft als zusätzlicher Auslöser von Harninkontinenz und auch Stuhlinkontinenz hinzu. Ebenso wirken sich Kontrazeptiva, Rauchen und Übergewicht negativ auf die Stabilität des Beckenbodens aus.
Wieso ist ein gut trainierter Beckenboden so wichtig?
Der Beckenboden bildet den natürlichen Abschluss des Bauchraumes nach unten, während er oben vom Zwerchfell, vorne und seitlich von der Bauchmuskulatur und hinten von der Wirbelsäule begrenzt wird. Im Gegensatz zu einem Sixpack sieht man ihn nicht – wohl einer der Gründe, warum man auf Beckenbodentraining weniger Wert legt.
Dabei sind die Beckenbodenmuskeln nicht nur wichtig für eine gerade Körperhaltung (die im Sport eine grosse Rolle spielt), sondern auch für die Funktionalität von Harnblase und Enddarm, bei Frauen der Vagina, bei Männern der Prostata. Beeinträchtigungen führen zu Harninkontinenz, Stuhlinkontinenz und einer verminderten Empfindungsfähigkeit beim Sex.
Warum belastet Sport die Beckenbodenmuskulatur?
Der aufrechte Gang war in der Evolution nicht vorgesehen. Hände frei führt dazu, dass unsere Baucheingeweide mit ihrem gesamten Gewicht auf Lendenwirbelsäule und Beckenboden und damit auf der Beckenbodenmuskulatur lasten. Das Ergebnis sind Zivilisationskrankheiten wie Rückenbeschwerden und Inkontinenz. Sport kann diese Beschwerden weiter verschlimmern. Wie kommt das?
- Ruckartige Bewegungen sind bei vielen Sportarten normal. Herumspringen und schnelles Stoppen verstärken die mechanische Belastung und Muskeldehnung im Becken erheblich.
- Die Bauchpresse kommt bei vielen sportlichen Aktivitäten hinzu. Damit bezeichnet man das Anspannen von Bauchmuskeln und Zwerchfell, was den Druck auf die Bauchorgane und damit auch auf den Beckenboden weiter erhöht.
- Wir laufen falsch, zumindest aus funktionell-anatomischer Sicht: In der Evolution hat sich der Mensch zu einem Hetzjäger entwickelt, der stundenlang rennen kann. Allerdings federnd auf Zehen und Ballen und nicht wie wir auf der wenig elastisch gelagerten Ferse, die jeden Stoss ungefiltert an den Körper weitergibt.
- Ständige Belastung der Beckenbodenmuskulatur dehnt und schwächt diese. Das wirkt sich auf die Schliessfähigkeit des Enddarms und vor allem des Blasenmuskels aus und führt zu Harninkontinenz und/oder Stuhlinkontinenz.
Leistungssport verschlimmert die Beschwerden bei Harninkontinenz
Harninkontinenz ist bei Frauen im Leistungssport besonders hoch. Über alle Sportarten hinweg fanden Metastudien eine durchschnittliche Häufigkeit von 25,9 %, davon erwiesen sich 20,7 % als Belastungsinkontinenz. Extrem hoch lag der Wert bei Volleyball (75,6 %) und Trampolinspringen (80 %).
Bereits bei leichter sportlicher Betätigung geht man von einer Prävalenz von 5,6 % aus. Schwimmen entspricht am ehesten unserer vormals vierbeinigen natürlichen Körperhaltung und belastet die Beckenbodenmuskulatur am wenigsten.
Die Beeinträchtigung des Beckenbodens fällt je nach Sportart unterschiedlich aus:
- geringe Belastung: Golf, Schwimmen, Laufen, Diskus- und Speerwerfen
- mässige Belastung: Skilanglauf, Hockey, Tennis, Badminton, Baseball
- starke Belastung: Sportgymnastik, Ballett, Aerobic, Trampolinspringen, Judo, Fussball, Basketball, Handball, Volleyball
Nicht zu vergessen: Die meisten Studien befassen sich mit aktiven Sportlerinnen, also solchen jungen und mittleren Alters. Dabei steigt die Häufigkeit einer Harninkontinenz mit dem Alter deutlich an – mit oder ohne sportliche Betätigung.
Was ist mit Harninkontinenz bei männlichen Athleten und Stuhlinkontinenz?
Zu sportbedingter Inkontinenz bei Männern gibt es kaum Studien – aktuell sind es gerade einmal ein rundes Dutzend. Zumindest zeigen sie, dass Harninkontinenz kein ausschliessliches Problem weiblicher Athletinnen ist und für männliche Sportler vermutlich ein noch grösseres Tabu darstellt.
Noch sparsamer sind die Befunde bei Stuhlinkontinenz – hier gibt es nur episodische Berichte. Da die Schwächung der Beckenbodenmuskulatur aber auch die Haltemechanismen des Darms beeinträchtigt dürfte hier die Dunkelziffer höher sein als die kargen Berichte schliessen lassen.
Wie häufig ist eine Harninkontinenz im Sport?
Harninkontinenz ist bei Athleten weiter verbreitet als man denkt. Ein paar Zahlen:
- Leistungssportlerinnen leiden rund fünfmal so häufig an Harninkontinenz wie ihre männlichen Kollegen. Eine dieser Studien spricht von 45,1 % der Frauen, aber nur 14,7 % der Männer.
- Belastungsinkontinenz macht dabei 59,9 % der Fälle aus.
- Als mittelschwer bis schwer einzustufen sind 30,9 % der Fälle von Harninkontinenz.
- Von den Probandinnen vermelden einen Harnverlust
- 22,7 % während des Trainings
- 40,5 % beim Springen
- 19,6 % beim Laufen
- 20,2 % bei anderen Betätigungen
Abhilfe bei sportbedingter Inkontinenz: Beckenbodentraining
Vor allem im Leistungssport gilt das Beckenbodentraining als beste Option für die Behandlung der Harninkontinenz. Eine gestärkte und gut trainierte Beckenbodenmuskulatur bessert nicht nur aktuelle Beschwerden mit Inkontinenz, sondern beugt auch altersbedingten Verschlimmerungen vor. Ebenso bewährt haben sich die Übungen bei weniger anstrengenden Sportarten.
Mit einem modernen Beckenbodentrainingsgerät wie dem PelvicTool von Alonea ist das Training so leicht wie nie zu vor: Sie können sich in lockerer Sportbekleidung auf das Gerät setzen und mittels einer App auf Smartphone oder Tablet das Anspannen und Lockern der Muskeln im Beckenboden live mitverfolgen. Die intimfreie Anwendung ermöglicht sogar das Training in Gruppen, etwa in der Physiotherapie – zusammen macht Sport immer mehr Spass als alleine, und das gilt auch für das Beckenbodentraining!
Quellen, Links und weiterführende Literatur
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